Leugnen zwecklos

Ich bin nun wirklich in der einst nicht nachvollziehbaren Elternwelt angekommen, denn

… ich freue mich über jede volle Windel und jeden Pups unseres Sprößlings (nur so weiß man schließlich, dass mit der Verdauung alles klappt, oder?!) und
… sonst wäre ich nie auf die Idee gekommen, meinem Mann auf seinen Wunsch hin eine SMS mit dem Inhalt “Mausemaus hatte gerade eine volle Buchse!!!!” zu schicken.
… ich benutze, ohne darüber nachzudenken, den selben Löffel von Mausemaus, um den Rest ihres Getreide-Obst-Breis aufzuessen.
… es ekelt mich nicht im Geringsten, wenn ich angelüllerte Babyfinger in den Mund gesteckt bekomme (die nächste Stufe Muttersein ist erreicht, wenn dasselbe auch auf fremde, also nicht Mausemaus’ Babyfinger zutrifft).
… ich kann mich beim besten Willen nicht daran erinnern, wie ich Mausemaus heute Nacht aus ihrer Federwiege herausgehoben, zu mir ins Bett geholt und angelegt habe.
… sobald Mausemaus etwas tut oder sagt oder auch nur so guckt, dass es in die Kategorie “Ach, wie süß!” fällt, lenke ich meine Aufmerksamkeit unweigerlich vom Gesprächspartner auf mein Kind (ich höre zwar noch weiter zu, lerne aber immernoch, auch den Sinn hinter dem Gesprochenen trotz Ablenkung aufzunehmen und zu verarbeiten und passend zu antworten, ohne auf das ausweichende “ja/hmmhmm/hehe” zurückgreifen zu müssen, da ich wieder mal nichts mitbekommen habe).
… (die Liste ließe sich noch fortsetzen, doch dass waren meine spontanen Gedanken, als ich heute früh ein Augenlid aufschälte, um mein strahlendes, ausgeschlafenes Kind – wann machst du das?! ach ja, wenn ich vor Rückenschmerzen kein Auge zu bekomme, weil du momentan nur bei Mama schlafen willst – anzuschauen, dass munter am Kopfende unseres des Familienbettes herumturnte)

Ich entschuldige mich hiermit nachträglich bei allen Eltern, die ich heimlich belächelt habe, ob ihrer befremdlichen Begeisterung für sämtliche Ausscheidungen ihres Sprößlins, ihre abgelenkten Aufmerksamkeit beim Gespräch und ihres unflexiblen Terminplans. Ich bin nun Mitglied in eurem Club (und sehe meine alten Gedanken nun hinter der Stirn meiner eigenen, kinderlosen Freunde und Familienmitglieder kreisen).

10 Gründe warum Mamasein toll ist!

Frau Mupf zählte vor kurzem ihre “10 Gründe warum Mamasein toll ist!” auf und ehrlich gesagt, befand ich mich da in einer Phase, wo mir auf Anhieb keine 10 Gründe eingefallen wären… Also habe ich den Post als Aufruf zur Selbstreflexion  genommen (zum Beispiel, was wäre, wenn ich kein Kind bekommen hätte) und auch wenn ich zugegebenermaßen etwas nachdenken musste (ich wollte ja nicht einfach Frau Mupfens Gründe wiederholen), habe ich letztendlich selbst 10 Gründe gefunden, warum Mamasein für mich toll ist (die Reihenfolge entspricht dabei nicht der Rangfolge!):

1. Mein Körper hat einen kompletten Menschen erschaffen! Wow!
2. Endlich weiß ich, wie eine Mischung aus meinen und den Genen meines Mannes aussieht.
3. Ich kann Milch machen! Wow, zum Zweiten!
4. Ich darf Menschwerdung hautnah erleben (aktuell wird Krabbeln, sitzen und hochziehen geübt).
5. Ich muss darf jeden Tag ein Vormittagsschläfchen halten.
6. Ich darf (noch) den ganzen Tag knuddeln und knutschen, wenn mir danach ist.
7. Wenn ich jetzt Klamotten shoppen gehe, passt alles sofort und wie angegossen (in Größe 86 wohlgemerkt).
8. Ich habe viele neue, liebe Menschen (Geburtshilfekurs, MALIBU-Kurs, Eltern-Kind-Kreis, tolle Mama-Blogs) kennengelernt.
9. Ich werde jetzt endlich nähen lernen!
10. Wir bekommen nun immer ein Gratisbrötchen beim Bäcker (das mit dem Gratiswürstchen beim Fleischer haben wir noch nicht ausprobiert).

Wenn ich kein Kind bekommen hätte…

Wenn ich kein Kind bekommen hätte, würde ich öfter durch- und vor allem ausschlafen. Ich könnte auch einfach mal länger liegen bleiben und sogar den Tag im Bett verbringen, wenn mir danach wäre.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, wäre meine Figur nicht dermaßen aus dem Leim gegangenen. Ich hätte eher diätet und mir keine Gedanken um Schadstoffe in der Muttermilch machen müssen.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, könnte ich einfach mal für ein Wochenende verreisen und Eltern oder Freunde besuchen. Ich könnte dabei überall übernachten, ob auf einer Couch oder im Bett oder auf dem Boden (obwohl… aus diesem Alter bin ich wohl raus). Und bräuchte maximal einen Rucksack für Wechselwäsche und Zahnbürste.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, könnte ich Alkohol trinken und Junk Food essen und wäre nur mir selbst Rechenschaft schuldig. Ich könnte den Gedanken darüber leichter verdrängen, welche (Nähr?)Stoffe ich gerade in meinen Körper pumpe.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, könnte ich den ganzen Tag Bücher lesen oder am PC die Welt retten. Ich könnte jederzeit ins Kino gehen oder in die Disco.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, würde ich jetzt noch arbeiten. Hätte aber niemals Büroluft geschnuppert und alternative Tätigkeitsfelder entdeckt (mit sehr viel besseren Arbeitszeiten).
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, dann könnte ich auf bleiben, so lange ich will. Ich würde fernsehen, was ich will und schließlich ins Bett gehen, wenn mir danach ist. Oder einfach vor dem TV auf der Couch einschlafen.

Wenn ich kein Kind bekommen hätte, wüsste ich nicht, wie sich kleine Tritte von innen gegen die Bauchdecke anfühlen, wie aus dem zarten Klopfen im Laufe von Monaten kräftige Stöße werden, die man sogar von außen sehen kann.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, würde ich wahrscheinlich immer noch auf den perfekten Zeitpunkt für unsere Hochzeit warten. Und den für ein Kind sowieso.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, wäre ich nie über mich hinausgewachsen. Ich hätte mich nie so sehr fallen lassen können, wie ich es zur Geburt getan habe – ich war noch nie weniger “Kopf” als in der letzten Stunde der Geburt. Hätte nie echte Schmerzen erlebt. Nie diese weiblichste aller Erfahrungen gemacht.
Wenn ich kein Kind hätte, wüsste ich nicht, wie spannend es sein kann, (m)einem Baby dabei zuzusehen, wie es erst sich und dann die Welt entdeckt.
Wenn ich kein Kind hätte, würde dieser Blog nicht existieren.
Wenn ich kein Kind hätte, wäre mein Vater immer noch nur Randfigur im meinem Leben und nicht dein Opa, der dich abgöttisch liebt.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, wüsste ich nicht, wie erstrebenswert es ist, (m)ein Kind zum Lachen zu bringen. Dieses ansteckende Glucksen, dass manchmal schon durch einen Blick allein ausgelöst werden kann.

Wenn ich kein Kind bekommen hätte, gäbe es unsere kleine Familie nicht. Ich wüßte nicht, welch ein Fels in der Brandung mein Mann ist und wie sehr Familie und Freunde mir den Rücken stärken können, wenn es wirklich mal darauf ankommt.
Wenn ich kein Kind bekommen hätte, wüsste ich nicht, wie anstrengend Muttersein sein kann. Und wie herzerwärmend kindliches Urvertrauen.

Wenn ich kein Kind bekommen hätte, hätte ich dich niemals kennen gelernt.

Was für ein Glück, dass ich ein Kind bekommen habe. Was für ein Glück, dass es dich gibt.

Früher war Erkältung einfacher

Schon wieder dieses Kratzen im Hals… Noch gar nicht lange her, da hat man dann das ganze Wochenende im Bett verbringen können, mit einem guten Buch und ner Thermoskanne Tee auf dem Nachttisch (wahlweise statt Bett Sofa und statt Buch Fernbedienung vom TV oder DVD-Player in der Hand). Wenn man schlafen wollte, machte man die Augen zu, wenn man nicht reden wollte (oder konnte) den Mund. Bei Kopfschmerzen vergrub man sich in den Decken oder nahm irgendwann einen Tablette, wenn es nicht mehr auszuhalten war. Bei Gliederschmerzen verschaffte ein ausgiebiges heißes Bad bereits Linderung.

Heute steht die Thermoskanne in der Küche und wann immer ich daran vorbeigehe, versuche ich einen Schluck Tee, oder besser eine Tasse, man weiß ja nie, wann man an der Kanne wieder vorbei kommt, zu trinken. Gemütlich im Bett schmökern, geht nur während der 20 Minuten Mittagsschlaf von Mausemaus. Fern- oder gar DVD-sehen, geht sowieso nur noch viertelstündlich am Abend. Statt Erkältungsbad muss eine kurze heiße Dusche reichen. Und bei Kopfschmerzen warte ich eben noch eine Weile länger, ob es nicht von allein besser wird, bis ich dann doch zum niedrigst dosierten Schmerzmittel greife, denn Mama stillt ja noch. Mit schmerzendem Hals versuche ich, soweit es geht trotzdem zu singen und zu bespaßen, im Notfall wird eben gesummt. Allein Elan und Geduld ruhen sich derweil im Bett bei einem guten Buch aus oder nehmen gemütlich ein Bad.

Und wenn dann der Nachwuchs auch noch anfängt, zu schniefen und zu röcheln, und man nachts noch weniger schläft, weil man immer mit einem Ohr horcht, ob das Kind noch atmet oder der nächste Pseudokruppanfall bevorsteht… Spätestens dann denk man sich, früher war Erkältung einfacher.

Ein melancholischer Neujahrsanfang

Nichts bringt dein Leben mehr durcheinander, als die Geburt deines Kindes.

Wechselst du deinen Wohnort, musst du dich an eine neue Nachbarschaft gewöhnen, der Weg zur Arbeitsstelle ist vielleicht weiter, aber du behälst deinen Job und kennst deine Kollegen. Wenn dich deine Arbeit mal nervt, gehst du abends nach Hause, legst die Beine hoch und schaust deine Lieblingsserie oder du verabredest dich mit deinen Freunden, planst den nächsten Urlaub nach JWD oder gönnst dir ein schönes, heißes Bad. Dein Leben verläuft größtenteils wie vorher.

Wechselst du den Job, musst du dich in ein neues Team integrieren und dir neue Aufgabenbereiche erarbeiten. Abends gehst du dann wieder nach Hause und hast vielleicht eine ähnlich Feierabendgestaltung wie beim Wohnortswechsel und dein Leben ändert sich sonst nicht.

Eine Liste ähnlicher Beispiele lässt sich beliebig erweitern. Ist ein Lebensbereich von Veränderungen betroffen, ändert sich in der Regel in den anderen Bereichen sonst nichts. Du behälst deinen Freundeskreis, gehst weiter deinen Hobbys nach und machst sonst nur, was dir gefällt.

Ich dachte irgendwie, das bliebe auch so, wenn man ein Kind hat… Aber jede weitere Entscheidung wird nun mit Wohl des Kindes im Hinterkopf getroffen. Eine längere Autofahrt nicht angetreten, weil sie das Reisen im Babysitz nicht lange erträgt. Übernachtungen dahingehend abgewogen, ob wir Eltern in getrennten Zimmer schlafen können (mein Mann schnarcht und da ich wegen der Kleinen kein Oropax benutze, ist an gemeinsamen Schlaf nicht zu denken).

Für mich, hat sich alles geändert.

Der Job liegt eine Weile auf Eis. Dieser Zeitraum wird Elternzeit genannt und soll “zur Erziehung und Betreuung des Kindes” genutzt werden. Ich sehe meine Kollegen nicht mehr, tausche mich nicht mehr über diverse Kleinigkeiten aus und betätige mich nicht mehr in meinem Beruf. Selbst die einstündige Autofahrt fehlt mir, weil ich dann immer Hörbücher hören konnte, ohne meinen Mann damit zu langweilen.

Unser (vor allem mein) Freundeskreis ist nicht wirklich weggebrochen, aber die Möglichkeit, sich gegenseitig zu besuchen, ist vorerst nicht gegeben. Mit manchen Freunden scheint man sich momentan auch nicht mehr viel zu sagen zu haben… Und selbst wenn wir es schaffen, Freunde, Familie, Bekannte zu besuchen, hab ich kaum Gelegenheit zu sozialisieren. Während des geselligen Essens schlinge ich meine Portion runter, ohne wirklich zu schmecken, da Mausemaus langsam anfängt zu meckern und nicht einfach nur auf dem Schoss sitzen bleiben will. Abends, wenn es gemütlich wird, sitze ich am Bett unserer Tochter und wache über ihren Schlaf, während durch das offene Fenster Gesprächsfetzen und Lachen hereinwehen.

Mal in Ruhe ein Buch lesen, einen Film (zu Ende!) oder eine Folge der Lieblingsserie schauen, in Ruhe ins Kino oder Restaurant zu gehen, einem alten oder neuen Hobby fröhnen, ausgiebig Klönen… Das wär mal was.

Momentan schaue ich oft auf die Uhr, in der Hoffnung, der Tag (oder die Nacht) sei bald vorüber, dabei ist unsere Tochter ein fröhliches Kind, das selten richtig Terz macht. Trotzdem gehe ich langsam durch die Wohnung, wenn ich die Mausemaus trage, um Zeit zu schinden. Freue mich, dass sie auch mit ihren fast 9 Monaten noch zwei bis drei Mal tagsüber schläft, dann brauche ich sie weniger “betuddeln”, auch wenn dass bedeutet, dass ich in körperlicher Anwesenheit über ihren Schlaf wachen muss.

Ich lasse mich gehen. Die Grundhygiene wie Duschen, Haare waschen und kämmen, Zähne putzen wird verrichtet, aber darüber hinaus nichts. Zum Sport fehlen Gelegenheit und Elan, also hängen immer noch zuviele Restkilos der Schwangerschaft an mir herum. Was mein Selbstwertgefühl nicht steigert. Schokolade ist meine Droge.

Ich bemühe mich, Kontakte zu knüpfen, mich an meiner wunderbaren Tochter zu erfreuen, stolz auf mich und meinen Körper zu sein. Aber manchmal funktioniere ich nur noch. Oder eigentlich nicht mehr. Irgendwo in den vergangenen Monaten bin ich verloren gegangen.

Wo bin ich?